Durst 02/2020

Hauptgang  15 Das Hotel Basel lässt seit rund fünf Jahren regelmässig einen Mystery Check durch die «feuerzeichenGmbH» durchführen. «Gecheckt wird alles vom Check-in bis zum Check-out, auch die Brasserie Steiger und die Sperber Bar sowie der Frühstücksbereich», sagt Sarah Schläpfer, die Marketingverantwortliche. Man hole so bewusst ein Feedback von aussen ein, was gut gegen Betriebsblindheit sei. Wegen der Mystery Checks hat sich laut Sarah Schläpfer noch nie jemand kontrolliert gefühlt. Die Ergebnisse der Checks werden im Team- leiter-Meeting besprochen. Danach kommt es zuDebriefing-Meetings innerhalb der Abteilun­ gen wie Service und Küche. Schliesslich wer- HO T E L BA S E L Für viele ist ein Mystery Check ein Mysterium. Wie genau läuft so ein Test ab? Kurt Schempp: Grosse Gastroketten lassen sich permanent bis zu zwölf Mal pro Jahr che- cken. Sie wissen, dass sich Mystery Checks lohnen und haben ein Abonnement. Es gibt aber auch einmalige Checks für kleinere Betriebe? Ja, der Mirror Check ist eine einmalige Angele- genheit und ideal für Kleinbetriebe. Alle für den Gast wahrnehmbaren Punkte werden abgebil- det – vom Ambiente auf dem Parkplatz und dem Aussenauftritt über die Menükarten und sämtliche Prozesse der Dienstleistungen bis hin zum Zustand der Toiletten und der Verab- schiedung der Gäste. Auch der Internet-Auftritt wird gecheckt, ebenso die Haptik verschiede- ner Gegenstände und ob die Philosophie für den Gast wahrnehmbar ist. Viele Gastronomen setzen auf regionale Produkte, amEingang steht aber ein Straussmit Rosen aus Kenia. Der Gast nimmt unterbewusst wahr, dass diese Blumen fehl am Platz sind. Besser passen würde eine Schale mit Bio-Äpfeln aus der Region und dem Hinweis auf den Bauern, der sie geliefert hat. Auch auf solche Details weist der Check hin. Wie läuft ein Check konkret ab? Wir besprechen den Check vorgängig mit dem Gastronomen und vereinbaren, dass wir in ei- nem bestimmten Monat zu einer Uhrzeit mit einer hohen Frequenz im Lokal checken kom- men. Wenn möglichst viele Gäste im Lokal sind, hat der Test das grösste Potenzial. Es weiss aber niemand, wann genau wir den Check durchführen werden. Schliesslich soll der Checker unerkannt bleiben und wie jeder andere Gast behandelt werden. Im Idealfall verbindet man den Check dann mit der Schu- lung des Personals. Dabei ist extrem wichtig, dass sich niemand blossgestellt fühlt. Beim Check geht es nicht darum, die Angestellten zu kontrollieren, sondern Potenzial aufzuzeigen. Wo liegt in der Regel das grösste Potenzial? Beim aktivem Nachverkauf. Beim Mystery Check hat der Checker nach der Vorspeise sein Getränk leer getrunken. In rund zwei Dritteln der Fälle wird er nicht gefragt, ober ein zweites Getränk möchte. Dieses Versäumnis zieht sich durch die ganze Gastronomie – vom einfachen Restaurant bis zum Fünfsternehotel. Und es wirkt sich negativ auf den Umsatz aus: Unsere Daten belegen, dass ein Drittel der Gäste gerne ein zweites Getränk bestellt hätten. Die Rech- nung ist einfach: Einem Betrieb, der pro Mittag 100 Mittagessen ausgibt, geht der Verkauf von 33 zusätzlichen Getränken verloren. Welche anderen Haupterkenntnisse von Mystery Checks sind auch erwähnenswert? Rationale Gründe für einen Restaurantbesuch gibt es nicht. Andernorts kannman sich günsti­ ger und schneller verpflegen. Der Gast will be­ dient und umsorgt werden. Viele Gastronomen unterschätzen, dass für den Gast das Gesamt­ erlebnis essenziell ist. Weil sich dabei vieles im Unterbewusstsein abspielt, fliessen Erkennt- nisse aus der Hirnforschung in unsere Arbeit ein. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Sie können dem Gast die besten Hörnli mit Ghacktem und wunderbarem selbstgemachtemApfelmus ser­ vieren. Wenn er zuvor die unappetitliche Toilette des Lokals aufgesucht hat, verbindet er die dortigen Gerüche und Eindrücke im Unter­ bewusstsein mit der Speise. Deshalb ist es wichtig, möglichst viele Punkte zu checken. www.feuerzeichen.ch Gastronomie-Profi Kurt Schempp Das Potenzial von Mystery Checks Mystery Checks sind eine spezielle Art, gezielt Feedbacks von Fachleuten einzuholen. Mit seiner «feuerzeichen GmbH» führt der Gastronomie-Profi Kurt Schempp seit Jahren solche Tests durch. Im DURST-Interview sagt er, warum diese sich auch für kleine Betriebe lohnen und welche Art von Erkenntnissen zu erwarten sind. Kurt Schempp. «Das professionelle Feedback von aussen ist gut gegen Betriebsblindheit.» Sarah Schläpfer den konkrete Massnahmen umgesetzt. Sarah Schläpfer nennt zwei Beispiele: «Bei uns steht der Gast im Vordergrund. Aufgrund eines Mystery Checks haben wir die Angestellten ge- schult, damit diese im Frühstücksbereich noch freundlicher und herzlicher sind. Zudem haben wir in der Brasserie dank einer Massnahme die Wartezeiten für die Gäste verkürzen können.» www.hotel-basel.ch

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