Durst 06/2020

4  Wirtschaft & Branche «Für Betriebe, die sich auf Schweizer Gäste ausrichten, sehe ich grosse Chancen.» André Gribi, Hotelier und Gastronomieberater Z wei Weltkriege sind an der Schweiz vorbeigegangen, und zuletzt hat uns auch dieWeltwirtschaftskrise von 2008 weniger stark getroffen als andere Länder. Der Corona-bedingte Stillstand hat uns nun aber schmerzlich vor Augen geführt: Die Schweiz ist K eine Frage: Die Schweizer Wirtschaft wird die Auswirkungen des Corona- bedingten Stillstands noch lange spü- ren. Ökonomen gehen zwar davon aus, dass die Folgen der Krise unser finanziell solide aufge- stelltes Land langfristig nicht erschüttern wer- den, für die nahe Zukunft sind die Konjunktur- prognosen aber alles andere als rosig. Ende April erwartete die Expertengruppe des Bun- des für das laufende Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 6,7 %. Im März hatte sie noch mit einem Rückgang von bloss 1,5 % gerechnet. Jetzt gehen die Experten also vom grössten Einbruch der Wirtschaftsaktivität seit der Ölkrise Mitte der 1970er-Jahre aus. Laut ihnen wird die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote auf 3,9 % steigen. Für das kommende Jahr wird erwartet, dass das BIP der Schweiz um 5,2 % steigen wird. Das entspricht einem relativ langsamen Anstieg, sodass der Stand des BIP von Ende 2019 noch nicht erreicht wird. Auch amArbeitsmarkt dürf­ te sich die Lage nur langsam verbessern: Die Arbeitslosigkeit könnte 2021 auf 4,1 % ansteigen und die Beschäftigung nur wenig wachsen. Schweizer Wirtschaft wird sich nur langsam erholen Trotzdem Hoffnung und Zuversicht Nach der Zeit des Stillstands hält langsam wieder Normalität Einzug. Der Bundesrat lockert die Massnahmen, die er im Kampf gegen die Corona-Pandemie ergriffen hat. Doch wie lange wird die Schweizer Wirtschaft noch unter der Krise leiden? Noch eine ganze Weile, prognostizieren Ökonomen. Trotzdem gibt es Zuversicht – auch in der leidgeprüften Gastronomie und der Hotellerie ist verhaltene Zuversicht festzustellen. Corona hat uns gezeigt: Unser Land ist keine Insel Entscheidend für unsere Gastronomie und Hotellerie Die Corona-Krise hat uns gezeigt: Die Schweiz ist keine Insel. Wie schnell sich unsere Wirtschaft und insbesondere die Gastronomie und die Hotellerie von der Krise erholen werden, hängt auch von der Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Laut der Expertengruppe werden die erlittenen Einkommensverluste sowie die grosse wirt- schaftliche Unsicherheit die Aufholeffekte beim privaten Konsum in der zweiten Hälfte des lau- fenden Jahres begrenzen. Als Folge davon kann der private Konsum2020möglicherweise noch stärker zurückgehen als das BIP. Zudem gehen die Ökonomen davon aus, dass sich die Weltwirtschaft in den kommenden Quartalen ebenfalls nur schleppend erholen wird. Wichtige Handelspartner dürften ver- stärkt mit anhaltenden Folgen der Corona-Kri- se zu kämpfen haben. Darunter werden in der Schweiz insbesondere der Aussenhandel und der Tourismus zu leiden haben. Trotzdem ist aus Sicht des Wirtschaftshistori- kers auch ein wenig Optimismus angebracht. Thomas Straumann sagte der Aargauer Zeitung: «Die Schweiz hat die Finanzkrise gut überstan- den, auch mit Hilfe von Kurzarbeit. Dieses Ins- trument, auf das der Bundesrat jetzt in der Coronakrise setzt, hat sich bewährt. In Kombi- nation mit den Liquiditätshilfen sollte die Wirt- schaft die Krise einigermassen gut überstehen. Man will sich wieder etwas gönnen Zu den vom Stillstand besonders stark betrof- fenen Branchen gehören die Gastronomie und die Hotellerie. «Die Spreu wird sich nun noch stärker vomWeizen trennen», sagt André Gribi, Leerer Markusplatz in Venedig während der Krise. keine Insel, sondern eine Nation wie andere, vor der Viren keinen Halt machen und die als Ex- port- und Tourismusland stark von einer pros­ perierenden Weltwirtschaft abhängig ist. Wer die Zukunfsaussichten der Schweizer Wirt­ schaft beurteilen will, kommt also um einen

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