Durst 12/2020

Markt & Trends  25 Auf ein Bier mit Enzo Pontoriero Wie beurteilen Sie den Gesundheitszustand der Branche am Ende des Jahres? Enzo Pontoriero: Das Thermometer zeigt eine stark erhöhte Temperatur an. Ein weiterer Lockdown würde starkes Fieber auslösen, denn ohne weitere Hilfsmassnahmen des Bun- des ständen viele Gastronomen vor dem defi- nitiven Aus. Anders als andere Länder ist die Schweiz zum Glück in der Lage, dass sie sich die Ausgaben für eine erste Rettung der Wirt- schaft leisten kann. Die grossen Auswirkungen werden sich in den nächsten Jahren zeigen. Viele Experten gehen von einer U- und nicht von einer V-Erholung aus. Klar ist, dass die Weltwirtschaft und auch die Schweizer Wirt- schaft vor grossen Herausforderungen stehen. In vielen Regionen scheinen die Hotellerie und die Gastronomie die Krise bis jetzt aber recht gut überstanden zu haben. In den Bergen durfte man sich über einen guten Tourismus-Sommer freuen. Im Bündnerland zum Beispiel konnte der Umsatz trotz des zweimonatigen Lockdowns vielerorts auf dem Vorjahresniveau gehalten werden. In den Städ- ten hingegen leidet die Hotellerie stark, vor allem in Zürich und Genf, wo das Business vor Corona auf Hochtouren gelaufen ist und jetzt fast ganz stillsteht. In Genf haben deswegen viele Hotels geschlossen. Von der Krise be- troffen sind nicht nur Einzelbetriebe, sondern auch weltweit tätige Hotelketten. «Der Durchhaltewille ist gross» Es ist ein spezielles Jahr, das sich dem Ende zu neigt. Geprägt war 2020 von der Corona-Pandemie, unter der die Gastronomie so stark wie kaum eine andere Branche leidet. DURST hat mit Enzo Pontoriero über den Zustand der Branche gesprochen. Das Gespräch mit dem Geschäftsleitungsvorsitzenden von Gastroconsult fand Ende Oktober statt, als der Bundesrat gerade eine landesweite Maskenpflicht und weitere Massnahmen verkündet hatte. Damals ging die Angst vor einem zweiten Lockdown um. Der diplomierte Wirtschaftsprüfer ist seit Juni 2020 Vorsitzender der achtköpfigen Geschäfts- leitung von Gastroconsult. Enzo Pontoriero be- sitzt unter anderem die Erfahrung aus acht Jahren als Revisor und Wirtschaftsprüfer bei KPMG. Gastroconsult ist spezialisiert auf Treu- hand, Steuern, Prüfung und Beratung für Res- tauration und Hotellerie. www.gastroconsult.ch ENZ O P ON T OR I ERO Enzo Pontoriero. Und die Gastronomie, wie hat diese in den Städten den Sommer überstanden? Viele unserer Kunden hatten unter den er- schwerten Bedingungen einen guten Sommer; nicht nur in den Bergen, sondern auch in den Städten, wo der Rückgang des Mittagge- schäfts infolge Homeoffice jedoch grosse Lü- cken hinterlassen hat. Die Gastronomen ha- ben starke Konzepte entwickelt, und das Wetter hat auch mitgespielt. Zudem stellten wir eine gewisse Kulanz von Städten und Ge- meinden fest, die mehr Aussenplätze bewillig- ten als imNormalfall. Das Winterhalbjahr wird nun entscheidend sein, wie viele Gastronomie- betriebe überleben können. Besonders dra- matisch ist die Situation für die Eventbranche und auch für Gastronomiebetriebe, die stark auf Events ausgerichtet sind. Wie ist die Stimmung in der Branche? Ich bewundere die Gastronomen für ihren Durchhaltewillen, ihre Originalität und ihre Innovationskraft. Obwohl die Branche wie kaumeine andere unter der Corona-Pandemie leidet, ist die Hoffnung nicht verloren gegangen. Ich wünsche mir, dass das imWinter so bleibt. Und die Gäste? Wollen die noch in Lokale oder bleiben sie imWinter lieber zu Hause? Wie sicher fühlen sich die Gäste in Lokalen? Das ist die grosse Frage. Die Statistik zeigt, dass sich in der Gastronomie nicht viele Leute mit Covid-19 anstecken, zumal die meisten Betriebe gut eingerichtet sind und die Schutz- massnahmen gemäss Schutzkonzept von GastroSuisse einhalten. Trotzdem ist es aber so, dass sich die Gäste im Freien sicherer fühlen als in Innenräumen. Wichtig sind klare Richtlinien von der Politik, die möglichst viel Freiheit und eine neue Normalität zulassen. Was verstehen Sie unter neuer Normalität? Das Verhalten der Gäste könnte sich langfristig ändern, andererseits vergisst der Mensch schnell. Corona wird uns noch viele Jahre be- schäftigen. Ich hoffe dennoch sehr, dass die Welt in naher Zukunft möglichst zurück zum Leben vor Covid-19 gehen wird.

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