Durst 06/2021

10 Hauptgang Die Schweiz liebt ihre Apéro-Kultur Die Schweiz kennt viele Eigenheiten. Eine davon ist die Apéro-Kultur. Wir haben den Apéro zwar nicht erfunden, in der Schweiz wird er aber geschätzt, kultiviert und zelebriert wie in kaum einem anderen Land. Nach den langen Monaten der Einschränkungen freuen sich die Menschen wieder darauf, gemeinsam «go aperöle». Wenn die Gastronomie entsprechende Angebote macht und die Corona-Massnahmen einhält, kann sie davon stark profitieren. Eine Chance für die Gastronomie N ein, erfunden haben wir ihn nicht, den Apéro. «Es waren wohl die Italiener und die Franzosen, welche vor langer Zeit die Grundlage für die heutige Apéro-Kultur gelegt haben», sagt der Kulinarik-Journalist Matthias Reimann, der sich intensiv mit dem Thema befasst hat und für das Onlinemagazin «Gourmet@Home» schreibt. Trotzdem wird der Apéro nirgends so geliebt wie in der Schweiz. Er ist viel mehr als ein Glas Wein oder Bier, Chips und Nüsse. Er ist gesellig, informell, identitäts- stiftend, Entspannung nach der Arbeit, der Startschuss in den Abend, ein Stück unserer Kultur und ein Ausdruck von Lebensfreude. Für die Gastronomie ist der Apéro in Zeiten von Corona vor allem eines: eine grosse Chance! Nach vielen Monaten der Einschränkungen sehnen sich die Menschen nach gemeinsamen Stunden, nach Zerstreuung und Erlebnissen. Ein entspannter Apéro imLokal oder noch bes- ser auf der Terrasse, wo sich die Menschen vor dem Virus sicherer fühlen, ist genau das, was sie jetzt wollen. Einfach so nach der Arbeit. Oder zu einembesonderen Anlass wie demGe- burtstag eines Freundes, dem Jubiläum einer Kollegin und zum Auftakt eines Nachtessens. InderWirtschaftwirdauchderBusiness-Apéro schmerzlich vermisst. «Die Schweizer Apéro- Kultur ist ein wichtiges Instrument der Netz- werkbildung, das Ausländer immer wieder fasziniert», hat der Wirtschafts-Dachverband «Avenir Suisse» schon lange erkannt. Was die Getränke und die Speisen betrifft, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Bier ge- hört ebenso zur Apéro-Kultur wie Weisswein, Schaumwein, Cocktails und vermehrt auch al- koholfreie Drinks. Nüsschen, Chips, Trocken- fleisch, Käse und natürlich Schinkengipfeli. Die Gäste probieren aber gerne Neues aus, sie schätzen nachhaltig produzierte Produkte aus der Region und Eigenkreationen. Das gilt so- wohl für die Getränke als auch für die Speisen. Wie die Franzosen und die Italiener kultivieren auch die Luxemburger und die Spanier mit ih- ren Tapas die Apéro-Kultur. Das ist keine Er- findung der Schweizer. «Sehr wohl erfunden haben wir aber den Apéro riche, der den Apéro in neue Sphären hebt», sagt Matthias Reimann. Ein Apéro riche beinhaltet eine Fülle an Drinks und kleinen Speisen, die nacheinander gereicht oder in Buffetform präsentiert werden. Er er- setzt eine volle Mahlzeit und kann stundenlang dauern – Geselligkeit, Gemütlichkeit, anregen- de Gespräche und Gästebindung inklusive. Während auch die Romands und die Tessiner Apéros lieben, haben die Deutschschweizer dafür sogar ein eigenes Wort erfunden: ape­ röle. Wieder gemeinsam «go aperöle», darauf freut man sich im ganzen Land – und das ist eine grosse Chance für die Gastronomie.

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