Durst 09/2022

People & Unterhaltung 19 Auf ein Bier mit Thomas Schneider und Salvatore Lagrotteria Sie sind seit vielen Jahren auf der Jagd nach neuen Bieren. Ist es einfacher geworden, neue spannende Biere zu finden? Thomas Schneider: Oh ja, dank der Amerikaner, die immer wieder neue Trends setzen, ist die Biervielfalt heute riesig. Die amerikanischen Brauer sind in die Geschichte eingetaucht und haben alte Bierstile wie Berliner Weisse oder Gose neu gekickt. Mit Top-Hopfen ist es ihnen gelungen, in viele Biere einen neuen Twist hineinzubringen. Dabei gingen sie immer näher an Grenzen und brauten auch mal Stouts mit 15 oder sogar 16 Volumenprozenten. Zudem stehen in jeder US- Brauerei mehrere Whisky- und Bourbon-Fässer, in denen das Bier reifen kann. Das ist Bierkultur vom Feinsten. Der Craft-Trend ist aus den USA dann ja schnell nach Europa und in die Schweiz gekommen… Salvatore Lagrotteria: … und hat die Lust amBrauen, die Vielfalt und die Innovationskraft neu entfacht. Auch grosse Brauereien haben begonnen, neue Bierstile wie Pale Ales auf den Markt zu bringen. Thomas Schneider: Auch im Lagerbereich gibt es viel Neues und Interessantes, wobei die Schweizer Brauer bei untergärigen Bieren eine Tendenz zu einer stark betonten Süssnote und Malzigkeit haben. Trends wie alkohol- und glutenfrei fliessen ebenfalls in die Entwicklung ein. Sind Sie denn auch auf der Jagd nach alkoholfreien Bieren? Thomas Schneider: Selbstverständlich, auch Biermischgetränke und Radler passen in unser Beuteschema. Lassen Sie mich aber nochmals auf die USA zurückkommen: Wir waren kürzlich in Denver; der Stadt, welche sich mit Portland um den Titel der Bierhauptstadt Amerikas und damit auch der Welt duelliert. In Denver, wo es in einer einzigen Stadt rund sechzig Brauereien gibt. Dasselbe in Boston. Wir haben uns gefragt, wie die denn alle überleben können. Haben Sie eine Antwort gefunden? Salvatore Lagrotteria: In Boston ist uns ein Licht aufgegangen: Dort sind die meisten Brauereien Gasthof-Brauereien. In denen trifft man sich zum Essen und Brunchen – und alle trinken Bier, haben Lust auf neue Biere und reden über ihre Eindrücke. In der Schweiz ist das Trinkverhalten konservativer. Man ist stolz auf sein Bier aus der Region, stürzt sich aber weniger auf Neues als die Amerikaner. Ist das nicht auch ein Spiegelbild der Gesellschaft? Salvatore Lagrotteria: Das ist es in der Tat. Die Amerikaner wollen immer Neues erschaffen und kreativ sein. Das sieht man bei Apple. Oder bei Starbucks. Nicht nur den Bier-, sondern auch den Kaffeemarkt haben die Amis in den letzten Jahrzehnten revolutioniert. In Europa und der Schweiz hingegen hat man oft Angst, sich zu bewegen und Neues zu wagen. Man hält lieber am Bewährten fest. «Die Amerikaner setzen neue Trends» Thomas Schneider hat schon 36500 verschiedene Biere ausprobiert und ist in der internationalen Beer-Hunter-Szene als «ttt» bekannt: Thom the Tank! DURST traf ihn gemeinsam mit seinem Kollegen Salvatore Lagrotteria, der ebenfalls auf der Jagd nach neuen Bieren ist und diese geniesst. Schnell stellt sich heraus: Die beiden zieht es immer wieder in die USA. Ein Gespräch über Bier, aber auch über kulturelle Unterschiede, über Lust auf Neues und Festhalten an Bewährtem. Thomas Schneider und Salvatore Lagrotteria gehören zur Szene der Beer Hunter, der Bier-Jäger. Ihr Ziel ist es, möglichst viele Biere zu entdecken. Thomas Schneider ist Zeitungslogistiker bei der Post und betreibt dieses Hobby seit 1987. 36500 Biere hat er schon probiert. Damit ist er die Nummer 1 der Schweiz, undweltweit hat keiner so viele Schweizer Biere getrunken wie er. Salvatore Lagrotteria, IT-Manager und Diplom-Biersommelier, ist später eingestiegen und steht zurzeit bei rund 14000 Bieren. Der Weltrekord wird von einem Dänen gehalten und liegt bei rund 70000 Bieren. BE ER HUN T ER S Thomas Schneider (l) und Salvatore Lagrotteria. Thomas Schneider: Aber wie erwähnt: Dank dem Craft-Bier-Trend, der schon vor vielen Jahren aus den USA in die Schweiz gekommen ist, hat sich auch hierzulande vieles zum Positiven verändert. Lassen Sie uns zum Schluss noch kurz über die Beer-Hunter-Szene sprechen: Was dürfen wir uns darunter genau vorstellen? Thomas Schneider: Wir treffen uns regelmässig, auch bei Salvatores Arbeitgeber in Zürich, wo wir eine schöne Räumlichkeit haben, unsere «Bierheiligkeit». Von April bis Oktober besuche ich an fast jedemWochenende Bier-Festivals, die meisten in der Schweiz, aber auch im Ausland. Salvatore Lagrotteria: Für uns ist Bier allgegenwärtig. Mich fasziniert, dass man in der Bier-Szene viele spannende Leute aus anderen Berufsgruppen kennenlernt, auch Frauen kommen zahlreich. Bier ist ein sehr geselliges Getränk und die Bierszene friedlich. Ich mag mich an keine einzige Rauferei an einem Bier-Festival erinnern.

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