Durst 11/2022

People & Unterhaltung 19 Auf ein Bier mit Urs Masshardt 4,4 Prozent rechnen, und die ist auch dringend notwendig. In letzter Zeit sind nämlich viele Gastro-Angestellte abgewandert – zum Beispiel in den Gartenbau, wo die Arbeitszeiten regelmässiger und die Löhne höher sind. Ein weiteres Beispiel: Die Verkehrsbetriebe Luzern haben eine Werbekampagne durchgeführt und Köche als Buschauffeure akquiriert. Bei den Anstellungsbedingungen – dem GAV – muss dringend etwas gehen, aber leider blockiert GastroSuisse eine positive Entwicklung. Kommen wir zum Arbeitsumfeld, ... ...das genauso wichtig ist. Empfänglich für branchenfremde Stellenangebote bin ich nämlich dann, wenn der Lohn und das Arbeitsumfeld inklusive meiner Aufgaben und BetriebsReden wir über das, was die Branche zurzeit ammeisten beschäftigt: den Personalmangel. UrsMasshardt: Was heisst «zurzeit»? 2003 haben wir bei der Hotel & Gastro Union erstmals das Manifest zum Zustand der gastgewerblichen Berufe verfasst und es danach laufend angepasst. Schon damals war der Mangel an gelerntem und ungelerntem Personal ein grosses Thema. Leider müssen wir feststellen, dass sich seither nicht viel verändert hat. Hat sich das Problemwegen Corona nicht dramatisch zugespitzt? Das Problem ist grösstenteils hausgemacht und Corona bloss das Tüpfelchen auf dem i. Seit mehr als zwölf Jahren ist die Zahl der Lehrverhältnisse stark rückgängig, am meisten bei den Restaurationsfachleuten und den Köchen. Sie sagen, das Problem sei hausgemacht. Was kann die Gastronomie besser machen? Ich möchte nicht alle in den gleichen Topf werfen, denn es gibt sehr wohl Gastronomen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und deshalb genügend Personal finden. Ich bin überzeugt, dass der Personalmangel beseitigt oder zumindest verkleinert werden kann, wenn man den Hebel endlich an vier Punkten ansetzt: Lohn, Arbeitszeit, Wertschätzung und Bildung. Fangen wir mit den Löhnen an! Die sind ein ganz wichtiger Punkt. Als Arbeitgeber kann ich sie beeinflussen, denn nur die Mindestlöhne sind geregelt. Laut einer Umfrage der ETH-Konjunkturforschungsstelle KOF können in gastgewerblichen Berufen Beschäftigte mit einer durchschnittlichen Lohnerhöhung von «Höhere Löhne zahlen sich aus» Personalmangel und kein Ende. Urs Masshardt wirft den Arbeitgebern vor, teilweise selbst schuld am grössten Problem der Branche zu sein. Laut dem Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union gibt es zwei Lösungsansätze: höhere Löhne und mehr Wertschätzung. Wer das einsehe, finde immer genügend Angestellte. Urs Masshardt: «Es gibt kein Beizensterben, sondern nur ein Beizersterben.» klima nicht stimmen. Einen wichtigen Teil des Umfeldes kann der Gastronom selbst bestimmen, und das ist die Wertschätzung, der Umgang miteinander. Da gibt es noch viel Luft nach oben. In jeder Schulklasse sitzen mindestens vier Lernende, die sagen, der Umgangston im Betrieb sei rau. Junge wollen ein Recht auf Mitsprache, doch die fehlt oft. Vielerorts wird nach demveraltetenKKK-Prinzipgeführt: kommandieren, kontrollieren, korrigieren. Führungscoaches raten aber zu fordern, fördern, und feedbacken oder zu einemmodernen KKK-Stil: Kultur und Kontext, dann kommt auch die Kraft. Junge Arbeitnehmer legen auch Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Kann da die Vier-Tage-Woche weiterhelfen? Vom GAV her ist sie möglich, aber nicht für jeden Betrieb sinnvoll. Wichtiger erscheint mir, die Arbeitspläne nicht zu kurzfristig und im Einvernehmen mit den Angestellten zu machen. Auch das Aufzeigen von Perspektiven sowie Weiterbildungsangebote tragen zur Motivation bei. Das eingangs erwähnte Manifest wurde 2003 erstmals erstellt. Was denken Sie, welche Ergebnisse wird es in 20 Jahren bringen? Wir müssen die unternehmerischen Kompetenzen der Arbeitgeber erhöhen. Wer rechnen kann, offeriert keine Spaghetti für 18 Franken mit Salat oder Suppe als Vorspeise und begreift, dass sich höhere Löhne und mehr Wertschätzung auch ökonomisch auszahlen. Ich bin Realist: Wer es heute schon gut macht, wird es noch besser machen. Es gibt kein Beizensterben, sondern nur ein Beizersterben. Der Standort bleibt, der uneinsichtige Beizer nicht. Urs Masshardt. Urs Masshardt ist Geschäftsleiter der Hotel & Gastro Union, die sich seit 135 Jahren für das Personal einsetzt. Der Berner amtet auch als Stiftungsratspräsident der Hotelfachschule Luzern und Verwaltungsratspräsident der Hotel Montana AG. www.hotelgastrounion.ch UR S MA S SH A RD T Manifest Hier finden Sie die Standpunkte der Hotel & Gastro Union zum Arbeitsmarkt

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