Durst 06/2023

People & Unterhaltung 17 Doch. Ein bekannter deutscher Gastronom hat einmal gesagt, dass man einem Bewerber zuerst die dunkelsten Ecken des Betriebs zeigen muss. Das unterschreibe ich. Wir müssen die Probleme benennen – von unten bis oben. Können Sie uns ein Beispiel nennen? Wenn ich an das Jammern unserer Verbände während der Pandemie denke: Da habe ich mich geschämt, professioneller Gastronom zu sein. Natürlich wurde die Branche hart getroffen und zuweilen unfair und unanständig behandelt. Aber wenn wir einen Schaden haben, dann müssen wir ihn wettmachen. Die WirtinAuf ein Bier mit Romeo Brodmann Sie sind unter anderem gelernter Koch, Chefredaktor, Buchautor und Zigarrenproduzent. Dennoch bekennen Sie sich gerne zum Motto «Reduktion aufs Wesentliche». Ist das nicht ein Widerspruch? Romeo Brodmann: Stimmt. Manchmal springt es mich einfach an. Mit meinen Saucen- und Suppenbüchern wollte ich auf die simplifizierte Kochwelt reagieren und altes Wissen für eine neue Generation aufbereiten. Und wenn sich dann noch das Tor zu einer Zigarrenmanufaktur öffnet, dann muss ich doch den Fuss reinhalten. Was ist denn für Sie das Wesentliche? Der Geschmack. Jedes Gewürz, jedes Verfahren, jedes Lebensmittel entwickelt sein ganz eigenes Aroma. Es gibt Leute, die die Philosophie vertreten, dass man viele Dinge kombinieren sollte. Ich persönlich ziehe es vor, das Wesentliche, den ureigenen Geschmack zu suchen und dann alles dafür zu tun, ihn möglichst stark herauszuholen – so zu konzentrieren, bis es zur Geschmacksexplosion kommt. Als Chefredaktor des Pauli Magazins beobachten Sie die Szene genau. Haben Sie dabei ein gastronomisches Erfolgsrezept entdeckt? Nein, das würde ich mir auch nicht anmassen. Ich kann offensichtliche Faktoren benennen, etwa den Standort oder die Authentizität. Als Journalist stelle ich diese Frage aber viel lieber den erfolgreichen Gastronomen. Wenn ich etwas kommentiere, dann geht es nicht darum, Ratschläge zu erteilen, sondern unsere Branche durch alle Böden zu verteidigen. Halten Sie der Gastronomie denn nicht auch den selbstkritischen Spiegel vor? «Wir müssen Probleme benennen» Romeo Brodmann hat die Welt der Gastronomie aus allen Winkeln kennengelernt. Heute beobachtet er sie als Verleger und Chefredaktor von «Das Pauli Magazin» aus der Vogelperspektive. Im Gespräch mit DURST erklärt er, was er unter dem Wesentlichen versteht und warum es wichtig ist, dem Fachkräftemangel mit der schonungslosen Wahrheit zu begegnen. Romeo Brodmann nen und Wirte haben das mit viel Engagement getan. Es ist bedauerlich, dass sie gegen aussen so wehleidig repräsentiert wurden. Die Pandemie ist das Problem von gestern, dasjenige von heute und morgen ist der Fachkräftemangel. Inwiefern macht es da Sinn, einem Interessenten die dunkelste Ecke zu zeigen? Weil wir speziell den Lernenden nichts vormachen dürfen: Der Kochberuf wird ihnen als kreativer Beruf verkauft. Quatsch mit Sauce! Das ist ein harter Handwerksberuf, dessen Kunst die Reproduktion ist: Immer wieder die gleiche Qualität auf den gleichen Zeitpunkt mit ganz unterschiedlichen Bedingungen hinzubringen. Die Kreativität wächst erst später aus diesem Können heraus. Dass wir heute eine riesige Zahl an Lehrabbrechern verzeichnen, hängt auch mit diesem völlig falschen Bild zusammen. Es sind fundamentale Probleme wie diese, die wir benennen und anpacken müssen. www.daspaulimagazin.ch Der Koch, Restaurateur und Hotelier Romeo Brodmann war unter anderem Marketingchef einer Gastrogruppe und Direktionsmitglied im Schweizer Wirteverband. Heute ist der 55-jährige Basler Verleger und Chefredaktor von «Das Pauli Magazin», Verwaltungsrats- Mitglied der Pauli Fachbuchverlag AG, Autor mehrerer Bücher und Zigarrenproduzent. ROMEO BRODMANN

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