Durst 06/2023

Markt & Trends 31 Das Jahr 1848 hallt noch heute nach. Damals erhielt die Schweiz ihre erste Bundesverfassung und Oberwald sein erstes Hotel. Das Goms war touristisch noch nicht entdeckt, als Andreas Kreuzer mit seinem Sohn Andreas junior das Hotel Furka eröffnete. 175 Jahre sind seither vergangen, und der Betrieb ist noch immer in Familienhand. Claudio Spranzi führt ihn in der sechsten Generation. DURST trifft den Hotelier, seine Mutter Beata Spranzi und Tante Brigitte Nanzer in der Gaststube. Die beiden rüstigen Rentnerinnen waren hier zwischen 1990 und 2012 die Chefinnen. Im Wallis wird Gleichberechtigung offensichtlich schon lange gelebt, denn das Hotel war mehr als hundert Jahre in Frauenhand. Beata Spranzi und Tante Brigitte helfen noch heute mit. Sie sind im Haus geboren. Ebenfalls am Tisch sitzt Martin Jossen. Der langjährige Feldschlösschen Sales Manager ist im Frühling pensioniert worden und gehört irgendwie auch zur Familie. 1956, in seinem Geburtsjahr, war seine Mutter hier Serviertochter, wie man damals sagte. Martin Jossen ist dem Betrieb seither verbunden, in den letzten 21 Jahren auch als Vertreter des Getränkepartners. Mit dem, was die vier Walliser zu erzählen haben, liesse sich locker eine ganze DURST-Aus175 Jahre Hotel Furka in Oberwald Ein prächtiges Stück Gastrogeschichte Es gibt Geschichten, die kann nur die Gastronomie schreiben. Zum Beispiel jene des Hotels Furka in Oberwald, das seinen 175. Geburtstag feiert. Es blieb stets in Familienhand, Claudio Spranzi führt es in der sechsten Generation. Zuvor hatten mehr als 100 Jahre lang Frauen das Sagen, zuletzt Beata Spranzi und Brigitte Nanzer. Die rüstigen Rentnerinnen helfen noch immer mit und haben viel zu erzählen. Die Erbauerfamilie um Andreas Kreuzer senior und junior. Martin Jossen, Beata Spranzi, Brigitte Nanzer und Claudio Spranzi (von links). gabe füllen. «Als ich anfing, gab es noch keine Speisekarte. Wir haben den Gästen erzählt, was gekocht wird. Eine Angestellte hat einmal gesagt, es gebe alle vier Fleischsorten. Das sorgte für Lacher», erzählt Brigitte Nanzer. Ihre Schwester erinnert sich, wie sie früher auf dem Holzofen gekocht hat: «Wenn ein Car angekündigt war, mussten wir morgens um vier Uhr feuern, um rechtzeitig parat zu sein.» Ganz am Anfang, sagt Martin Jossen, habe es noch kein Bier gegeben. Um die Weinbauern zu schützen, war dieses Getränk im Wallis lange Zeit verpönt. Als 1865 dann die Brasserie Valaisanne eröffnet wurde, gehörte das Hotel Furka zu ihren ersten Kunden. Holländer wollte Hotel kaufen Nur einmal in all der langen Zeit, Anfang der 1990er-Jahre, war das Hotel gefährdet. Damals kündigte die Bank den Hypothekarvertrag, und ein Interessent aus Holland wollte das Haus kaufen. «Auf unseren Wunsch hin ist er dann vom Kauf zurückgetreten, und die Bank musste uns behalten», sagt Beata Spranzi mit einem schelmischen Lächeln. Dann erzählt ihre Schwester vom Stammgast, der seit 1972 kommt. «Früher», sagt sie, «gab es Gäste, die blieben fast den ganzen Sommer.» Auch an den Maler aus Deutschland, der 1960 ins Hotel kam und ein Bild des Rohnegletschers malte, erinnern sich die Schwestern noch gut. Tempi passati. Was wohl der Hotel-Erbauer denken würde, wenn er das mehrmals umgebaute und sanierte Haus sehen würde? «Der würde bloss staunen», sagt Brigitte Nanzer, «denn heute leben wir in einer komplett anderen Welt.» In dieser anderen, neuen Welt ist Claudio Spranzi der Gastgeber. Er hatte schon als Bub die Absicht, das Hotel einmal zu übernehmen. Der Winterbetrieb sei wichtiger und auch einfacher als jener im Sommer, erzählt er. Denn: «Die Langläufer kommen auch bei schlechtem Wetter.» Im Sommer seien es vor allem Velofahrer, Wanderer und Töfffahrer, die sie begrüssen dürfen. Mit Aushilfen beschäftigt Claudio Spranzi mittlerweile 17 Angestellte. Im Jubiläumsjahr gibt es das Kafi Crème und den Espresso für historisch tiefe 1.75 Franken. Und in 175 Jahren, was wird dannzumal sein? Wird das Hotel Furka in Oberwald dereinst in der siebten, achten und neunten Generation geführt? Niemand weiss es. Es gibt aber durchaus Hoffnung. Die Tochter von Claudio Spranzis Bruder beabsichtigt nämlich, mit einer Kochlehre in die Branche einzusteigen. www.hotel-furka.ch

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