Durst 07/2020

16  Markt & Trends Sie stehen in engemKontakt mit vielen Gastronomen. In welchem Zustand präsen- tiert sich die Branche imFrühsommer 2020? Simon Michel: Die Branche wird sich von den Folgen der Corona-Pandemie erholen, aber es wird auch Verlierer geben. Wer vor Corona schon Probleme hatte, dürfte es jetzt beson- ders schwer haben. Jetzt ist entscheidend, wie schnell sich die Betriebe an die neuen Bedürf- nisse der Gäste anpassen können. Kurzfristig haben viele Gäste nämlich noch Hemmungen, sich unter Menschen zu begeben. Wenn eine zweite Corona-Welle ausbleibt, wird sich dies jedoch schon bald ändern. Sie haben viele Daten analysiert und vier Punkte ermittelt, auf die es jetzt ankommt. Lassen Sie uns über diese Punkte sprechen. Zurzeit befinden sich viele Gastronomen noch immer auf einer Gratwanderung, die mit viel Unsicherheit verbunden ist. Ihnen stellt sich die Frage: Wie können trotz kleinerer Kapazität und verändertemGästeverhaltengenügendEinnah­ men generiert werden? Wir haben vier Punkte herauskristallisiert, die dabei helfen können, das ökonomische Potenzial auszuschöpfen. Punkt 1: Up-Selling und Cross-Selling Was bereits vor Corona-Zeiten ein Ziel jedes Gastronomen war, gewinnt nun an Bedeutung: den Durchschnittsbon zu erhöhen, um trotz re- Auf ein Bier mit Simon Michel Mehr Einnahmen in Corona-Zeiten Eingeschränkte Platzkapazitäten und auf ihre Sicherheit bedachte Menschen: Die Gastronomie kämpft noch immer mit den Folgen der Corona-Pandemie. Das Winterthurer Start-up Prognolite hat seine Daten analysiert und vier Punkte herauskristallisiert, dank denen sich jetzt dringend notwendige zusätzliche Einnahmen generieren lassen. Im Gespräch mit DURST erläutert Prognolite-CEO und -Gründer Simon Michel die vier Punkte. Der studierte Betriebswirtschafter Simon Michel gründete 2016 zusammen mit Roman Lickel die Firma Prognolite. Das Winterthurer Unternehmen unterstützt die Gastronomie dabei, Food Waste zu vermindern und die Personalplanung zu optimieren. Dank genauer Datenanalysen kann man voraussagen, wann wie viele Gäste ein Restaurant besuchen. Prognolite arbeitet auch mit der ZHAWWinterthur zusammen. Zuletzt hat man sich intensiv mit den Folgen der Corona-Pandemie für die Gastronomie befasst. Aus der Datenanalyse resultierten konkrete Tipps für die Branche. www.prognolite.com S I MON M I CHE L duzierter Platzkapazität einen soliden Umsatz zu generieren. Hier kommen Up-Selling und Cross-Selling ins Spiel. Beim ersteren werden Gäste dazu animiert, sich für eine hochwerti­ gere Variante ihres gewählten Produkts zu ent- scheiden, also beispielsweise für ein Craft-Bier oder die Spezialröstung eines Kaffees. Beim Cross-Selling wiederum bestellen Gäste ein zusätzliches Produkt dazu. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Anbieten eines Apéros. Damit dies in der Praxis funktioniert, müssen die nötigen Bedingungen geschaffen werden. Was meinen Sie damit konkret? Dazu gehören das Bewusstsein der Gastro­ nomen, ein entsprechendes Wissen und Trai- ning der Mitarbeitenden sowie die richtigen Anreize. In diesem Bezug haben die vielerorts etwas ruhigeren Wochen nach der Wieder- eröffnung auch einen Vorteil, denn Zeitmangel stellt oft eine Hürde für Zusatzverkäufe dar. Ist das Restaurant nun etwas leerer, können Mit- arbeitende die Zeit nutzen, um mehr mit den Gästen zu interagieren – selbstverständlich mit den gegebenen Distanz- und Sicherheits- massnahmen. So können sie die Einnahmen pro Gast erhöhen. Dies wirkt sich imEndeffekt auch positiv auf die Zufriedenheit der Gäste aus, da der Service persönlicher und kompe- tenter wird. Punkt 2: Dynamisches Pricing Restaurants sind aufgrund der beschränkten Platzzahlen zu den beliebten Zeiten am Mittag und am Abend schneller voll, was dazu führt, dass Gäste abgewiesenwerdenmüssen. Wenn ein Betrieb auch während den ruhigeren Tageszeiten geöffnet hat, rät es sich, die Nach- frage proaktiv umzuverteilen. Dazu wird in di- versen verwandten Industrien wie der Luft- fahrt und der Hotellerie schon lange dyna- misches Pricing eingesetzt. Preissensiblere Kunden weichen so auf weniger attraktive Randzeiten aus und überlassen die Plätze zu den Stosszeiten jenen, die einen erhöhten Preis zu zahlen bereit sind. Dies führt dazu, dass sich die Nachfrage verteilt. Ist die Einführung eines dynamischen Pricings für alle Betriebe und sofort möglich? Nein. Obwohl einige Restaurants dieses Modell bereits umsetzen, lässt sich dies nicht für alle Betriebe auf die Schnelle implementieren. Eini­ ges davon abschauen sollteman trotzdem: Man kann zum Beispiel den Besuch seines Lokals ausserhalb der Stosszeiten attraktiv machen, indemman den Gästen zwischen 14 und 18 Uhr Simon Michel, Gründer und CEO Prognolite.

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