Durst 07/2021

10 Hauptgang Storytelling klingt sehr modern, aber Geschichten werden doch erzählt, ... Patrick Kappeler: ...seit Menschen um ein Feuer sitzen und Erfahrungen austauschen. Wir sind Fühl- und nicht Denklebewesen. Wenn man den Menschen mit einer Geschichte ein Gefühl vermitteln kann, hat man sie für sich und seine Anliegen gewonnen. Die Gastronomie lebt von Gefühlen. Ist Story- telling in dieser Branche besonders wichtig? Gastronomiebetriebe bauen stark auf Genuss und Erlebnissen auf. Davon muss man den Gästen erzählen, denn das erschliesst sich ih- nen nicht von alleine. Das Storytelling beginnt bei der Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn Den Gästen gefallen gute Geschichten Storytelling ist in aller Leute Munde und in der stark mit Emotionen arbeitenden Gastronomie besonders wichtig. Wer seinen Gästen gute, wahre, authentische Geschichten zu erzählen hat, ermöglicht die Identifikation mit dem Lokal und ist dem Erfolg ein schönes Stück näher. Motive für Geschichten gibt es viele. Storytelling in der Gastronomie Es war einmal ein wunderbares Restaurant. Die Bauern aus dem Dorf lieferten nachhaltig pro­ duzierte Rohstoffe, und das kreative Wirtepaar zauberte mit seinem engagierten Team lukullische Speisen auf die Teller. Leider erfuhren die Men­ schen nichts von den Vorzügen dieses Restaurants, und so musste es seine Tore schon kurz nach der Eröffnung wieder schliessen. Dieses Märchen hat kein Happyend, weil in ihm keine Geschichten erzählt werden. Die Gäste erwarten nämlich nicht nur feine Speisen und Getränke, sie wollen sich mit einem Lokal auch identifizieren. Deshalb ist Storytelling in der Gastronomie so wichtig. Der Unternehmer und Autor Seth Godin drückt es so aus: «Menschen kaufen keine Waren und Dienstleistungen. Sie kaufen Beziehungen, Geschichten und Magie.» «Storytelling (deutsch: ‹Geschichten erzählen›)» ist laut Definition «eine Erzählmethode, mit der explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form von Leitmotiven, Symbolen, Metaphern oder anderen Mitteln der Rhetorik weitergege- ben wird». Es geht also darum, Emotionen aus- zulösen, Menschen vorzustellen, Überzeugun- gen zu vermitteln, Magie zu erzeugen und dem Gast damit die gewünschte Identifikation mit demBetrieb zu ermöglichen. Zahlen und Fakten dürfen in den Geschichten zwar enthalten sein, sie spielen aber eine untergeordnete Rolle. Die Motive Die Gastronomie arbeitet stark mit Emotionen. In ihr steckt eine Vielzahl an Geschichten, die er­ zählt werden wollen. Zum Beispiel Gründungs- und Traditionsgeschichten: «Sie können extrem wertvoll sein», sagt Storyteller Patrick Kappeler im DURST-Interview (unten). Wann wurde das Gebäude erbaut? Wer hat das Lokal am Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet? Was geschah damals imDorf? Ebenso wie Historisches inter- essiert Persönliches. Gute Storyteller erzählen deshalb auch und gerade in der Gastronomie viel von Menschen – von der Chefin, die das Re- staurant in der vierten Generation führt; von der Servicefachangestellten, die immer ein Lä- cheln im Gesicht trägt; vom Koch, der seine Ausbildung in Dubai gemacht hat; vom Bauern aus dem Dorf, der das Fleisch liefert und jedes seiner Tiere mit Namen kennt. Die Gäste schätzen Authentizität. Deshalb sind gute Geschichten in der Regel wahre Geschich- ten. Aber auch hier gilt: keine Regel ohne Aus- nahme. Den Walter, der gross von einer Wand «Wahre Geschichten haben die grösste Kraft» «Gutes Storytelling lebt von Emotionen und Menschen und nicht von Facts und Figures», sagt Patrick Kappeler. DURST sprach mit dem Gründer der Storytelling Akademie Schweiz über die Wirkung von Storytelling, geeignete Themen für Gastronomie-Geschichten und die Wichtigkeit, die erzählten Geschichten auch zu leben. Storyteller Patrick Kappeler: Gäste anderen von ihrem Restaurantbesuch erzählen, stehen wie generell beimStorytelling Emotionen im Vordergrund. Storytelling geht aber sowohl analog als auch auf digitalen Ka- nälen noch viel weiter ... ...und beginnt oft schon beimNamen, den man für sein Lokal wählt. Ja, und im Idealfall lässt der Name ein Bild entstehen, denn Menschen denken in Bildern und nicht in Zahlen oder Buchstaben. Der Name «Hans im Glück» einer Burgerkette zum Bei- spiel produziert ein Bild im Kopf: Glück! Welche Themen eignen sich in der Gastro­ nomie generell, um Geschichten zu erzählen? Gründungs- und Traditionsgeschichten können extrem wertvoll sein. Im Vordergrund sollten aber nicht Zahlen und Fakten stehen, sondern die Menschen, die das Lokal gegründet haben, und ihre Zeit. Ich würde die Historie sogar dann erzählen, wenn ich den Betrieb gerade über- nommen und ihm einen neuen Namen gegeben habe. So kann man die eigene Gegenwart in eine starke Linie bringen. Auch Nachhaltigkeit ist ein starkes Thema, und auch hier gilt es, das Abstrakte konkret zu machen: Wie sieht der Mensch aus, der das Fleisch produziert? Von welchem Rebberg stammt der Wein? Mit solchen Geschichten kann man viele Gäste ab- holen, denn Menschen sind affin für gute Ge- schichten, weil diese einen Sinn herstellen.

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