Durst 08/2023

Hauptgang 13 Der Gast ist ein sehr heterogenes Konstrukt. Können Sie ihn dennoch typologisieren? Zita Langenstein: Klar. Es gibt Gästetypen, die als Zielgruppe definiert werden – das ist insbesondere marketingtechnisch relevant. Im Umgang ist es eine andere Sache, da geht es ums Psychologische. Hier haben wir ein sehr breites Spektrum: vom extrem extrovertierten Gast, der alles sofort sagt, bis zum sehr introvertierten Gast, der schweigt, dafür aber seine Gefühle im Nachhinein schriftlich mitteilt. Dazwischen gibt es jede Menge Grautöne. Wie wichtig ist dabei die Persönlichkeit der Servicemitarbeitenden? Sagen wir es mal so: Wenn jemand schüchtern und introvertiert ist, dann fällt es ihm schwieriger, einen sehr extrovertierten Gast zu bedienen. Dasselbe gilt im Umkehrschluss. Heute legen Gäste tendenziell ein selbstsicheres Verhalten an den Tag: Sie wissen, was sie wollen, reden mit und sagen, was ihnen nicht gefällt. Dem muss man standhalten können. Damit können nicht alle gleichermassen umgehen. Wie kann man das Personal darauf vorbereiten? Schulungen sind hilfreich. Vor allem sollte man schwierige Situationen üben und konkrete Lösungsansätze aufzeigen. Grundsätzlich gilt es bei Konfliktsituationen, freundlich, aber auch bestimmt zu reagieren. Die früher oft devote Haltung ist nicht mehr angezeigt. Sondern? «Augenhöhe» ist das magische Wort. Wenn ein Gast zackig auf mich zukommt, dann gehe ich Wenn jemand weiss, wie man Gäste glücklich macht, dann ist das Zita Langenstein. Die Nidwalderin hat als Butlerin am Buckingham Palace gearbeitet und ist Expertin in Sachen Mitarbeiterführung, Dienstleistungsorientierung und internationale Umgangsformen. Im Interview spricht sie über die neue Selbstsicherheit der Kundschaft und erklärt, wie man sich bei übergriffigen Gästen verhalten soll. Butlerin Zita Langenstein «Das Devote ist nicht mehr angezeigt» Im Jahr 2000 hat die Hotelfachfrau Zita Langenstein ihren Kindheitstraum realisiert: Als erste Frau hat sie sich in London zur Butlerin ausbilden lassen und danach am Buckingham Palace gearbeitet. Dieser Tätigkeit geht sie bis heute nach, hauptberuflich arbeitet sie als Leiterin Weiterbildung bei GastroSuisse. www.zitathebutler.ch – www.gastrosuisse.ch/bildung ZITA LANGENSTEIN «Der Gast will heute nicht König sein, sondern ein Geschäftspartner.» Zita Langenstein auch zackig auf ihn zu. Der Gast will heute nicht unbedingt König sein, sondern ein Geschäftspartner, dem man auf Augenhöhe begegnet. Das ist eine Herausforderung, die nicht so einfach zu meistern ist – zumal es besonders im Service immer wieder zu Mutationen kommt. Die Erfahrung ist hier ein grosser Vorteil. Und dennoch gibt es verschiedene Präferenzen: Der eine Gast wünscht sich beispielsweise den präsenten Service, der andere dagegen etwas mehr Distanz. Für eine Kellnerin oder einen Kellner ist das heute schwierig zu lesen. Deshalb sind sie darauf angewiesen, dass die Gäste, etwa bei grösseren Anlässen, vorab durchblicken lassen, was sie sich wünschen. Tendenziell sollte man sich aber nicht nach alten Geschlechterrollen und Mustern orientieren, sondern auf alle eingehen. Die Karte oder die Rechnung in einer Selbstverständlichkeit dem Gast in die Hand zu drücken – das ist Schnee von gestern. Es gibt Gäste, die alles fordern und auch vor Drohungen und Beschimpfungen nicht halt- machen. Was raten Sie da den Betroffenen? Der Gastgeber muss nicht alles machen, was der Gast will. Er kann und muss klare Grenzen ziehen. Das ist in jeder anderen Branche auch so. Insbesondere wenn persönliche Angriffe vorliegen oder haltlose Vorwürfe geäussert werden, kann man jemanden freundlich und bestimmt des Lokals verweisen. Bei Drohungen kann man indessen sofort die Gegenfrage stellen respektive den Umstand festhalten. Das hilft oft schon. Generell empfehle ich, dass man bei den Online-Rezensionen jeden Kommentar verdankt und klar und freundlich beantwortet. Auf keinen Fall sollte man sich allerdings auf die persönliche Ebene begeben.

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