Durst 08/2023

28 Markt & Trends Bis kürzlich stand die Welt still, ausser in den Küchen. Dort brach hektische Betriebsamkeit aus. Es schien, muss der Mensch zu Hause bleiben, dann kocht er. Der Corona-Lockdown stoppte eine traurige Entwicklung, die sämtliche TV-Kochshows bisher nicht aufhalten konnten: Immer weniger Menschen wollen und können kochen. Dann kam die Rückbesinnung – wenn auch aufgezwungen – auf den eigenen Herd. Trendrestaurants waren geschlossen, die neuen kulinarischen Tempel waren Hofläden, Wein-Onlineshops und Metzgereien. Statt den melodiösen Klängen im Opernhaus lauschte das Volk daheim dem aus gemacht. Diese Art der Hunger-Bekämpfung (wobei mir dessen Manifestation schleierhaft ist, die Gnade meines Appetits erreicht mich selten vor dem Abend) hat noch andere Namen: Schlacht am Buffet. Totschläger des guten Geschmacks. Bestatter des gepflegten Service. Ausser dem fehlenden Appetit hindern mich grundsätzliche, aber auch eigene Präferenzen, vor Hunderten verschiedener Platten, Schüsseln und Töpfen von räubernden Buffet- piraten herumgeschubst oder gemassregelt zu werden: Ich möchte mein Essen serviert erhalten. Menschenmassen zusehen, die gierig, laut und drängelig in Schüsseln und Platten stochern, sich eingetrocknetes Rührei und fettig-glänzenden Lachs vom Discounter auf die Teller pappen, auf eisenharte Dreiminuten-­ Eier (die seit einer Stunde warmgehalten werden) einprügeln und sich mit grauslichem Prosecco die Kanne geben, nein! Auch darum hoffe ich seit Langem auf die Renaissance des mächtigen Bratenstücks. Des Sonntagsbratens. Das duftende Zentrum aller Wochenendaktivitäten. Er führt zerstrittenste Familien zusammen, vereint miesepetrige Freunde, macht die Kleinen glücklich und tröstet Paare über traurigen Quoten-Sex hinweg. Begleitet von einem Kartoffelstock, mit hineingedrücktem Stauseelein, in dessen Tiefe Gedanken an «Brunchen» sofort ertrinken. Und dessen Glanz die Augen in den glücklichen Gesichtern rund um den Tisch leuchten lässt. Mehr noch, der samtige Saucen-Glanz gibt dem Sonntag etwas von seiner bourgeoisen Vornehmheit zurück. www.richardkaegi.ch www.homemade.ch @richifoodscout Blubbern der Saucen und dem leisen Plopp des der Weinflasche entwundenen Korkens. Das erlösende Piepsen des Backofen-Timers wurde herbeigesehnt wie der Höhepunkt beim nachmittäglichen Beischlaf. Im beruhigenden Wissen, dass die Glocken des Ofens verlässlicher läuten als diejenigen im Orgasmus-Himmel. Lieber Braten statt Brunch Doch zu früh gefreut. Kaum waren die Freiheiten zurück, feierte eine mir höchst suspekte Ernährungsform ihre Wiederauferstehung: der Brunch. Das Fallbeil der Abstands- und Hygieneregeln hatte ihm leider nicht den GarZum Braten gibts Kartoffelstock. Zu Richis Rezept mit einer Extraportion Butter gelangen Sie via QR-Code rechts. Kägis Kolumne Vereint im Bratenglück Richi Kägi bedauert, dass der Brunch nach dem Corona-Lockdown wiederauferstanden ist. Für ihn ist die Schlacht am Buffet ein Totschläger des Geschmacks. Ganz anders der Sonntagsbraten. Der ist für Richi ein Glück, das Gross und Klein vereint.

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