Durst 10/2023

Hauptgang 13 Es heisst oft, das Bedürfnis der Menschen nach Transparenz sei in den letzten Jahren stark gestiegen. Ist dem tatsächlich so? Marcel Zbinden: Absolut. Dabei hat vor allem das Thema Authentizität enorm an Bedeutung gewonnen. Ein Beispiel: Früher war der Begriff «Nachhaltigkeit» a priori positiv besetzt. Inzwischen ist er aber so omnipräsent, dass er fast schon zum Unwort werden kann. Man muss deshalb klar und transparent aufzeigen, warum man für etwas das Prädikat «nachhaltig» verwendet. Sonst ist man nicht glaubwürdig. Woher kommt dieses gestiegene Bedürfnis? Einerseits gibt es immer mehr kritische Berichterstattung, andererseits werden wir über immer mehr Kanäle mit immer mehr Informationen bombardiert. Transparenz bedeutet zwar auf den ersten Blick noch mehr Information und damit das Gegenteil von dem, was die Leute eigentlich brauchen. Doch Transparenz gibt den Menschen eben vor allem auch sehr viel Halt. Wie stark ist die Gastronomie von dieser Transparenz-Frage betroffen? Im Bereich Nachhaltigkeit nimmt die Gastronomie eine Sonderrolle ein. In einem Supermarkt orientieren sich die Leute stark an Labels. Sobald sie aber ein Restaurant betreten, schalten sie auf blind und legen die Verantwortung in die Hände der Wirte. Das heisst aber nicht, dass Transparenz nicht gefragt ist, man hat einfach eine andere Vorstellung von ihr: Es Der Begriff der Nachhaltigkeit ist in der Wirtschaft so wichtig geworden, dass er fast schon inflationär verwendet wird. Umso grösser ist denn heute auch die Notwendigkeit, transparent aufzuzeigen, was genau dahinter steckt, sagt der Luzerner Wirtschaftspsychologe Marcel Zbinden. Dabei gelten für die Gastronomie nicht die gleichen Kriterien wie in anderen Branchen. Wirtschaftspsychologe Marcel Zbinden «Es geht vor allem um Authentizität» Der Wirtschaftspsychologe Marcel Zbinden doziert seit 2018 an der Hochschule Luzern. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen im nachhaltigen Konsumentenverhalten und in der Konsumentenpsychologie. Zuvor ist er lange in der Marktforschung bei der Milchprodukteherstellerin Emmi tätig gewesen. MARCEL ZBINDEN geht nicht um industrielle Labels, sondern um Authentizität. Dabei interessiert weniger, ob das Fleisch bio ist, sondern vielmehr, dass es vom Hof aus der Region kommt. Es geht also um Vertrauen? Richtig. Wenn ein Restaurant ein gutes Image hat und die Gäste ihm vertrauen, stehen sie ihm weniger kritisch gegenüber als beispielsweise einem grösseren Player im Detailhandel. Das Image sollte also gepflegt werden. Sind Labels also überbewertet? Das würde ich so nicht sagen. Es hängt halt immer auch davon ab, ob wir von der Systemgastronomie oder der Individualgastronomie sprechen. Für Letztere ist es eher schwierig, ein Bio-Knospe-Label auszuweisen, weil das nicht der Individualität des Restaurants entspricht. Kommuniziert man dagegen, dass man die übriggebliebenen Gerichte über «Too-Good-toGo» weiter vertreibt, dann kann das bei den Gästen durchaus einen positiven Effekt haben. Kann man mit gewissen Transparenz- Aktionen Leute auch vor den Kopf stossen? Durchaus. Sobald Transparenz politisch verstanden werden kann, kommt dies unterschiedlich an. Wenn man etwa mittels einer Ampel die Umweltbelastung der Menüs deklariert, dann kann das bei einigen Gästen auf Widerstand stossen. Oder wenn zusätzliche Hygienemassnahmen in der Küche deklariert werden, um Leute zu beruhigen, die wegen Corona verunsichert sind, kann dies bei anderen Gästen durchaus Verärgerung auslösen. «Transparenz gibt den Menschen sehr viel Halt.» Marcel Zbinden Craft-Trend beflügelt den Schweizer Hopfen Valaisanne setzt auf Einheimisches Lokale Biere sind im Trend, und sie beleben die Produktion von Hopfen und Gerstenmalz. «Schweizer Bauern profitieren vom Biertrend», hat die Fachzeitung «Schweizer Bauer» kürzlich geschrieben. So braut die Marke Valaisanne ihre Biere wenn möglich mit Hopfen aus der Schweiz. Weil es hierzulande bloss zwei Handvoll Hopfenbauern gibt und diese nur rund zehn Prozent des Bedarfs decken, muss aber vereinzelt auf Hopfen aus dem Ausland ausgewichen werden. Wie bei Speisen wird auch bei Getränken die Herkunft der Ingredienzen immer wichtiger. Deshalb bezieht das Unternehmen Feldschlösschen rund die Hälfte des in der Schweiz produzierten Hopfens.

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