Durst 11/2023

Hauptgang 13 die Administration. Von Vorteil ist ausserdem, dass sich die Familie in ein gemachtes Nest setzt. «Wir haben Servicepersonal, das schon jahrzehntelang hier ist, und sehr liebe und treue Stammgäste», sagt Honorine Rosenfeldt- Kueny. «Unsere Kinder können abends schon mal im Pyjama durchs Restaurant laufen. Das wird akzeptiert, weil sie dazugehören.» Genug Zeit für die Kinder Sowieso: Der Familienbetrieb erlaubt es beiden, Kindererziehung und Job zu vereinbaren. In der Gastronomie, in der bis in die späten Abendstunden und auch an den Wochenenden gearbeitet werden muss, ist das ein Privileg. «Mit einer Anstellung wäre das nie machbar», sagt Honorine Rosenfeldt-Kueny. Gleichzeitig haben sich die Prioritäten verschoben. Weg vom ambitionierten «schneller, höher, weiter», hin zu einer ganzheitlichen und nachhaltigen Philosophie, die sich am Wohl der Familie orientiert. «Natürlich nehmen wir uns AuszeiSchneebedeckte Berge, Seen, herausgeputzte Grossstädte: Die Postkarten-­ Schweiz hat es Kai Rosenfeldt-Kueny angetan. «Irgendwie hatte ich mir meinen Arbeitsort schon etwas anders vorgestellt», sagt der Ostdeutsche und lacht herzhaft. Der 46- Jährige hat als Koch das Berner Oberland, das Tessin und die Stadt Zürich gesehen. Gelandet ist er im jurassischen Delsberg, wo er mit seiner Frau Honorine das Hotel Restaurant Victoria von deren Eltern übernommen hat. Ein Traditionslokal beim Bahnhof, 116-jährig. Obschon er Zweifel hatte, kann er jetzt sagen: «Es war die richtige Entscheidung.» Seine Frau Honorine, die neben ihm sitzt, nickt. Für die diplomierte Hotelfachfrau war die Frage weniger gross, schliesslich ist sie im Haus aufgewachsen. Nach Arbeitsstationen in der Deutschschweiz und im Tessin – wo sie Kai kennenlernte – kehrte sie kurz vor der Geburt des ersten Kindes 2010 in den Familienbetrieb zurück. Gemeinsam mit ihrer Mutter kümmerte sich die 41-Jährige um den Service und das Büro, während ihr Mann noch in Zürich arbeitete. Sie sagt: «Tradition ist wichtig.» 2019, inzwischen ist das zweite Kind auch schon fünfjährig, übernahm das Gastronomen-Ehepaar das Lokal gemeinsam – und setzt damit die Familientradition in der vierten Generation fort. Von da an verfliessen die Grenzen: Beziehungs-, Familien- und Berufswelt spielen sich nun unter einem Dach ab. So haben die Rosenfeldt-Kuenys die Kräfte vollends vereint und sich einen neuen Mittelpunkt geschaffen. Kai verantwortet die Küche, Honorine den Service, den Hotelbetrieb mit zwei Zimmern und einer Wohneinheit sowie Seit 2019 führt das Ehepaar Honorine und Kai Rosenfeldt-Kueny das Hotel Restaurant Victoria in der vierten Generation. Die gemeinsame Arbeit gibt den beiden die Möglichkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen und dabei ihre eigenen Stärken zur Geltung zu bringen – in einer Branche, in der sich Privates und Berufliches nicht immer einfach vereinbaren lassen. Honorine und Kai Rosenfeldt-Kueny Das Glück als Vollzeit-Duo gefunden Privat und beruflich gemeinsam unterwegs: Kai und Honorine Rosenfeldt-Kueny. «Unsere Kinder können am Abend im Pyjama durchs Restaurant laufen.» Honorine Rosenfeldt-Kueny ten. Doch auch dann reden wir wohl zu 70 Prozent übers Geschäft. So bleiben dann keine Fragen offen», sagt Kai Rosenfeldt-Kueny. Ist also alles Friede, Freude, Eierkuchen? «Nein, wir sind nicht immer nur harmonisch», betonen die beiden. Es sei wichtig, direkt zu kommunizieren, die Arbeitsbereiche klar zu trennen und einander nicht zu stark reinzureden. Angesichts des Umstands, dass man auch das Privatleben teilt, erhalten Befindlichkeiten eine grössere Bedeutung, als wenn man nach dem Feierabend getrennte Wege gehen kann. So sagt Ehefrau Honorine etwa: «Ich kenne meinen Mann. Wenn ich spüre, dass die Arbeitslast in der Küche zu gross wird, gebe ich keine weiteren Tische zur Reservation frei. Das wäre weder der Qualität des Essens noch uns als Familie dienlich.» Rücksicht aufeinander zu nehmen, ist eine ökonomische als auch eine private Tugend. Für ein Vollzeit-Duo geht es gar nicht anders. www.victoria-delemont.ch

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