Durst 03/2021

28 Markt & Trends M eine liebste Biobäuerin erzählt, dass sie beimVerkauf auf demMarkt im­ mer wieder erlebt, wie festgefahren Kunden sind. «Da wäge ich für jemanden Kraut­ stiel ab und sage, schönen bunten Mangold hätten wir aktuell auch.» Aber die Kundin winkt ab und sagt: «Keine Ahnung, wie man den zu­ bereitet.» Deshalb, so die Biobäuerin, sei es so wichtig, dass es Kochbücher gebe. «Die Leute brauchen konkrete Rezepte und Inspiration, sonst trauen sie sich nicht an Neues und ko­ chen immer dasselbe.» Für viele gleicht der Inhalt vom Gemüseabo- Kistli denn auch einer Art Rätselbox. Was ge­ nau ist Zuckerhut? Rossa di Napoli? Wie kocht man Superschmelz (Tipp: Der Riesenkohlrabi schmeckt meiner Meinung nach am besten roh, in Sojasauce getunkt). Oder Wassermelo­ nenrettich? Cavolo nero? Catalogna? Die Sortenvielfalt der hiesigen Gemüsebauern ist mittlerweile beeindruckend und übersteigt je länger desto mehr das Küchenwissen der Konsumentinnen und Konsumenten. Wie man was zubereitet, lagert oder haltbar macht, wis­ sen erschreckend viele nicht oder nur vage. Ein ganzer Regenbogen an Karotten Oder nehmen wir Rüebli. Beim Grossverteiler gibt es hauptsächlich orange Exemplare. Auf dem Biohof jedoch entdeckt man einen ganzen Regenbogen an Karotten und Rüben, von weiss über grünlich, gelb und orange bis rot, bordeaux und dunkelviolett! Und es ist ja bei weitemnicht ausschliesslich die Farbe, die den Unterschied macht. Auch geschmacklich liegenWelten zwi­ schen den einzelnen Sorten. Das Schlüsselwort unter Weinliebhabern heisst: Terroir. Schon bemerkenswert, wie selbst­ verständlich über Bodenbeschaffenheit und Standort gesprochen wird, wenn man den Ge­ schmack und den Charakter von Weinen ein­ ordnet. Aber bei Rüebli? Kaum. Dabei spielen genau diese Faktoren eine ebenso wichtige Rolle für den Geschmack. Meine Biobäuerin erklärt mir, dass sogar innerhalb einer Anbau­ fläche der Boden unterschiedlich beschaffen ist und dieKarotten entsprechend unterschied­ lich schmecken. Auch von Jahr zu Jahr schme­ cken sie unterschiedlich. Wie sie gelagert wer­ den, hat ebenfalls einen Einfluss. Man sollte es zum Beispiel vermeiden, sie neben Äpfeln, Bir­ nen oder reifen Tomaten aufzubewahren. Sie werden sonst schnell bitter. Starkoch Magnus Nilsson vergrub Möhren in der Erde oder fer­ mentierte sie. Auch bei Fleisch sprechen wir von Herkunft, Rasse, Aufzucht, Fütterung, Schlachtung und Reifung. Warumnicht bei Gemüse? Mein Tipp: Vermehrt direkt beim Erzeuger einkaufen. Mit den Bau­ ern sprechen. Sich erklären lassen, wie was wo und vor allem wann wächst. Und dann neu­ gierig sein, ausprobieren und sich von der Viel­ falt überraschen lassen! Ofengeröstete Karotten. Was der Bauer nicht kennt… «Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht», sagt der Volksmund. Wieder so ein Spruch, der dringend einer Überholung bedarf. Heute ist es eher so, dass die Kunden den Bauern partout nichts abkaufen, was sie nicht kennen. Dabei gäbe es jede Menge zu entdecken. Kolumne Claudio Del Principe schreibt über fehlendes Wissen und Rüebli

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