Durst 06/2023

10 Hauptgang taten.» Das Menü wird in einer von drei Seiten einsehbaren Küche gekocht und in Schüsseln angerichtet. Das Schöpfen ist Aufgabe der GäsDer neue Minimalismus ist auch Luxus Das Leben ist ein ständiges Auf und Ab. Auf jede Bewegung folgt eine Gegenbewegung. Der jahrzehntelange Überkonsum ist dem Minimalismus gewichen, und dieser verändert auch die Gastronomie. Der moderne Minimalismus hat aber mehr mit Genuss und Luxus zu tun als mit Verzicht und Einschränkung. Deshalb ist er für die Branche eine grosse Chance. Lieber besser statt mehr The sky is the limit», hiess es immer. Jahrzehntelang lebten wir in einer Kultur des Überangebots, der Flatrates, des All you can eat. Dann zogen am Himmel Wolken auf: Wir merkten, dass unser Zuviel für den Planeten zu viel ist. Auch die Pandemie und die Inflation lehrten uns, neue Wege zu gehen. Einer davon ist der Weg des Minimalismus. Der hat allerdings mehr mit Luxus als mit Verzicht zu tun. Es geht darum, sich auf das Wesentliche zu beschränken, auf das Gute, das Gesunde, das nachhaltig Produzierte. Die Sharing-Bewegung, der Tiny-Houses-Boom und das Aufkommen kleiner erlesener Speisekarten in Restaurants sind Zeichen davon. Die Japanerin Marie Kondo zeigte den Menschen, wie man den Kleiderschrank ausmistet, und hatte damit weltweit Erfolg. «Die Frage, was man besitzen will», sagt sie, «ist die Frage, wie man sein Leben leben will.» Sie stützt ihre Thesen auf Wissenschaftler der University of California, die bewiesen haben: Wenn man von zu vielen Dingen umgeben ist, steigt der Cortisolspiegel, und das Stresshormon setzt uns zu. Aifach verrückt erfolgreich, dieses einfache Konzept Der Name ist Programm: Restaurant «Aifach» in Arosa Als Mark Stalder und Flo Weiler das «Aifach» vor elf Jahren eröffneten, waren viele skeptisch. Kann dieses minimalistische Konzept wirklich erfolgreich sein? Der Beweis ist längstens erbracht: Ja, dieser Minimalismus ist sogar maximal erfolgreich. Mark Stalder bringt den Kern des Konzepts mit einem Satz auf den Punkt: «Bei uns gibt es keine Speisekarte, dafür ein frisch zubereitetes Vier-Gänge-Menü mit regionalen ZuDie gesellschaftliche Entwicklung hin zum Minimalismus hat auch die Gastronomie verändert und wird sie weiter verändern. Die Gäste haben gemerkt, dass kein Restaurant ein riesiges Angebot an qualitativ hochstehenden und nachhaltig produzierten Speisen machen kann. Die Karten sind heute viel kleiner als früher, dafür wird vermehrt mit Produkten aus der Region, vegetarisch oder vegan gekocht. In Arosa zum Beispiel haben innovative Gastronomen den Minimalismus zum Programm und zum Namen ihres Lokals gemacht: Aifach! Es gibt einfach ein einziges Menü, doch dieses wird vor den Augen der Gäste mit erlesenen Rohstoffen zubereitet (vgl. Text unten). Der Minimalismus hat auch Auswirkungen auf die Inneneinrichtung von Gastrobetrieben. Auch hier gilt: Weniger ist mehr – weniger Nippes, dafür mehr Stil, weniger Gegenstände, dafür mehr Freiraum. Eine Gästebefragung von «Bookatable» in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt: Während Deutsche eher den eleganten Stil bevorzugen, schätzen die Gäste in der Schweiz und in Österreich ein modern- minimalistisches Interieur. In der Schweiz liegt dieser Stil klar auf Rang eins. Auch wenn es um das Eindecken der Tische geht, empfinden die meisten Gäste weniger als te, die beim Betreten des Restaurants noch keine Ahnung hatten, was ihnen aufgetischt wird. Die Qual der Wahl belastete sie nicht, dafür war die Vorfreude umso grösser. Es sei genau diese Einfachheit, die einfach gut ankomme, sagt Mark Stalder. Sie bietet einen wohltuenden Kontrast zu einer Welt, die immer komplexer und für viele undurchschaubarer wird. In elf Jahren ist viel passiert. Mark Stalder führt das bestens etablierte «Aifach» mittlerweile mit Larissa und Mark Stalder führen das «Aifach» in Arosa. Ihr Lokal hat sich vom Geheimtipp zur festen Grösse entwickelt. Das Konzept ist ebenso einfach wie erfolgreich: Es gibt nicht alles, dafür ist alles gut. «Die Frage, was man besitzen will, ist die Frage, wie man sein Leben leben will.» Marie Kondo «Es gibt keine Speisekarte, dafür ein frisch zubereitetes Vier-Gänge-Menü.» Mark Stalder

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